TAFSIR

Al-Fatiha

Erläuterung des Al-Qur’ān Al-Karīm in deutscher Sprache von Abū-r-Riḍā’ Muḥammad Ibn Aḥmad Ibn Rassoul

بِسْمِ ٱللَّهِ ٱلرَّحْمَٰنِ ٱلرَّحِيمِ

Bismi Allāhi Ar-Raĥmāni Ar-Raĥīmi (1)

Als erster Vers steht in der Al-Fātiḥa die Basmala, welche lautet: ”Bismi-llāhi-r-rāḥmāni-rraḥīm.“ Darüber, ob die Basmala ein eigenständiger Vers am Anfang jeder Sura (außer der neunten) ist oder nicht, sind die islamischen Gelehrten unterschiedlicher Meinung; denn für die Gültigkeit beider Lehrmeinungen können jeweils Ḥadīṯe als Beweise herangezogen werden. Die meines Erachtens überzeugendere und gewichtigere Beweisführung ist die derjenigen Qur’ān- Gelehrten, die meinen, die Basmala sei kein eigener Vers: Sie führen u.a. den schon erwähnten Ḥadīṯ über Abū Sa‘īd an, worin der Prophet Muḥammad, Allāhs Segen und Friede auf ihm, die Rezitation „der bedeutendsten Sura des Qur’ān „mit der „Al-Ḥamdala“ – dem zweiten Vers also – und nicht mit der Basmala beginnt. In einem anderen Ḥadīṯ, der von Muslim überliefert wird, bestätigt auch ‘Ā’iša (r), die Ehefrau des Propheten, dass er die Qur’ān-Rezitationen im Gebet mit der Al-Ḥamdala begonnen habe. Und in einem weiteren Ḥadīṯ berichtet der Prophetengefährte Ibn ‘Abbās (r): ”Der Gesandte Allāhs, Allāhs Segen und Friede auf ihm, wusste keine Einleitung der Suren, bis ihm „Bismi-llāhi-r-raḥmāni-r-raḥīm“ offenbart wurde.“ Aus dieser Überlieferung geht eindeutig hervor, dass die Basmala zu Beginn der Suren nicht als deren integraler Bestandteil, sondern als eine von ihnen formal abgesetzte Einleitung anzusehen ist. Doch Allāh (t) weiß es am besten. Dass die Basmala in der ersten Sura dennoch die Versnummer 1 erhält, ergibt sich daraus, dass sie ja der erste Bestandteil der gesamten, durch Verszählung gekennzeichneten Offenbarung ist und somit selbst vom Zählungssystem erfasst wird. Vor den anderen Suren fungiert die Basmala dagegen als reine Einleitung und wird nicht gesondert nummeriert. Wenden wir uns nun der Interpretation zu: Die Basmala hat den Wortlaut: ”Im Namen Allāhs, des Allerbarmers, des Barmherzigen“. Der Name „Allāh“ steht nur unserem Schöpfer allein zu; dieser setzt sich zusammen aus dem Artikel „Al“ und dem arabischen Wort „Ilāh“. Al-Ilāh bedeutet demnach „der Gott“, d.h. der alleinige Gott, neben Dem es keine anderen Götter gibt. Dieser Name „Allāh“ ist nicht übersetzbar; denn er ist ein Eigenname unseres Schöpfers, der zugleich alle Attribute umfasst, die Ihm zustehen, und zu diesen 99 Attributen oder „Namen“ Allāhs, die im Qur’ān genannt werden, gehören auch der „Allerbarmer“ und der „Barmherzige“. Die beiden arabischen Worte „Ar-Raḥmān“ und „Ar-Raḥīm“ werden von dem Wort „Raḥma“ (Erbarmen) abgeleitet; das Wort „Ar-Raḥmān“ (der Allerbarmer) darf jedoch nur ausschließlich für Allāh (t) angewendet werden; denn es umfasst die Gesamtheit der Arten von Barmherzigkeit im Diesseits und im Jenseits, nämlich die Gnade Allāhs, Seinen Schutz, Seine Rechtleitung, Seine Vergebung am Jüngsten Tag usw., und besitzt mit dieser Inhaltsfülle eine weitergehende Bedeutung als „Ar- Raḥīm“ (der Barmherzige). Dieses letztere Wort kann auch auf den Menschen angewendet werden; die in ihm ausgedrückte Barmherzigkeit beschränkt sich lediglich auf das Diesseits. Manche Qur’ān-Kommentatoren meinen auch, dass „Ar-Raḥmān“ sich auf die gesamte Schöpfung beziehe, „Ar-Raḥīm“ hingegen nur auf die Gläubigen; andere sind der Ansicht, dass die Form „Ar-Raḥmān“ nach der Wortbildungslehre die Größe und Vielfalt von Allāhs Barmherzigkeit ausdrücke, während die Form „Ar-Raḥīm“ das Andauern bzw. die Unaufhörlichkeit Seiner Barmherzigkeit bezeichne. Wie umfassend und mannigfach die Barmherzigkeit Allāhs ist, tritt uns auch klar vor Augen in Sura 55, die den Titel „Ar-Raḥmān“ trägt. Wie bereits gesagt, hat der Prophet Muḥammad, Allāhs Segen und Friede auf ihm, mit der Basmala die Qur’ān-Rezitation eingeleitet; ebenso begann er das Gebet mit diesen Worten. Darüber hinaus ist es im Islam jedoch ein Gebot, jede Handlung mit der Basmala anzufangen; denn, wie der Prophet, Allāhs Segen und Friede auf ihm, sagte, ist ”jede Handlung, die nicht mit „Bismi-llāhi-r-raḥmāni-r-raḥīm“ begonnen wird, (vom Segen) verstümmelt.“(r)

ٱلْحَمْدُ لِلَّهِ رَبِّ ٱلْعَٰلَمِينَ

 Al-Ĥamdu Lillāhi Rabbi Al-`Ālamīna (2)

”Alles Lob gebührt Allāh“ bedeutet, dass man Allāh (t) in jeder Lebenslage und unter allen Umständen dankt und Ihn lobpreist – auch und gerade dann, wenn etwas geschieht, was wir als scheinbar nachteilig oder schlecht für uns ansehen. Denn oft lässt Allāh (t) etwas geschehen, was auf uns im ersten Augenblick wie ein Unglück wirkt, etwas, wodurch wir uns in eine Notlage versetzt fühlen, oder etwas, was wir eigentlich gar nicht wollen, was sich jedoch später als Wohltat für uns erweist. Auch lässt Allāh (t) zuweilen Gläubige deshalb in ungünstige Situationen geraten, um ihre Standfestigkeit, aufrichtige Gottesfurcht und Stabilität im Glauben zu prüfen. Die Al-Ḥamdala bedeutet also nicht nur „Danken“ und „Loben“ im engeren Sinne des Wortes, sondern begreift „Lob“ als ein demütiges und verehrendes Lobpreisen Allāhs in allen guten sowie weniger guten Lebenslagen, dargebracht mit Aufrichtigkeit des Herzens und erfüllt von Liebe zu Ihm, Dem Allerbarmer, Dem Barmherzigen. Im Hinblick auf den sprachlichen Aspekt ergibt sich daraus, dass man im Arabischen das Wort „Ḥamd“ nur allein in Bezug auf Allāh (t) verwendet, während man immer dann, wenn man vom Lob eines Menschen spricht, das Wort „Madḥ“ gebraucht. So, wie man zu Beginn einer Handlung die Basmala spricht, sollte man jede Tat mit der Al-Ḥamdala beenden. Darum ist es z.B. Brauch, am Ende jeder Mahlzeit „Al-ḥamdu li-llāh“ zu sagen; ein anderer Brauch ist, dass jemand, der geniest hat, die Al-Ḥamdala spricht. Der zweite Vers der Al-Fātiḥa wird nach der Al-Ḥamdala mit den Worten „dem Herrn der Welten“ fortgesetzt. Das Attribut „Rabb“ (Herr) ist ebenfalls einer der neunundneunzig Namen Allāhs – es bedeutet „Herr“, „Besitzer“, „Gebieter“, „Eigentümer“, „Leiter“, „Angebeteter“, und es darf, wenn es alleinsteht, ebenfalls nur im Zusammenhang mit Allāh (t) verwendet werden. Unter den „Welten“ ist die Gesamtheit der Schöpfung zu verstehen. Dies erfahren wir aus dem Qur’ān selbst, und zwar aus Sura 26:23f.: ”Pharao sagte: »Und was ist der Herr der Welten?« Er (Moses) sagte: »Der Herr der Himmel und der Erde und dessen, was zwischen den beiden ist.«“ Der Vers ”Alles Lob gebührt Allāh, dem Herrn der Welten“ ist von weitreichender Bedeutung; denn aus ihm schöpft die Lehre des Tauḥīd. Hier wird die islamische Vorstellung von unserem Schöpfer dargelegt, und hier wird ganz deutlich klargestellt, dass Er der Eine ist, Dem alles Erschaffene gehört, Der alles lenkt und Dem allein Lob und Preis gebühren. Allāh (t) ist es, Der die Menschen erschafft, das Tierreich und die Pflanzenwelt; Allāh (t) ist es, Der sie ernährt, erhält und beschützt; Allāh (t) ist es, Der den Lauf der Gestirne regelt und überwacht. Er ist somit auch der Beherrscher Seiner Schöpfung. Die absolute Einheit und unumschränkte Macht Allāhs sind die Grundlagen des islamischen Glaubens: „lā ilāha illa-llāh“ (kein Gott ist da außer Allāh), wie es auch im Glaubensbekenntnis der Muslime heißt.

ٱلرَّحْمَٰنِ ٱلرَّحِيمِ

Ar-Raĥmāni Ar-Raĥīmi (3)

Erläutert wurden diese beiden Attribute Allāhs bereits in der Erklärung der Basmala. Die Qur’ān-Kommentatoren weisen darauf hin, dass dieser Vers bewusst an dieser Stelle steht: Während der vorhergehende Vers den Menschen die unendliche Distanz zu dem Allmächtigen Schöpfer erahnen lässt und ihm Ehrfurcht vor Seiner Macht und Größe einflößt, hat dieser Vers ermutigenden, dem Menschen Entgegenkommen signalisierenden Charakter. Denn Allāh (t) macht bei Seiner Schöpfung und deren Leitung nicht nur von Seiner Allmacht Gebrauch, sondern Er steht uns auch mit Seiner unermesslichen Güte und Gnade zur Seite, indem Er uns Seine Schöpfung zu unserer Verfügung und Nutzung überlässt und indem Er uns den rechten Weg des Islam zeigt. So spendet uns die Sonne Licht und Wärme, so finden wir in der Erde Bodenschätze, so lässt der Regen Getreide, Beeren und Früchte gedeihen usw. Zu Allāhs größter Gnade aber gehört es, dass Er uns Propheten und Offenbarungen sandte, damit wir nicht in die Irre gehen – gepriesen sei Allāh! Diese Gewissheit, dass Allāh (t) Allbarmherzig ist, gibt dem Menschen

مَٰلِكِ يَوْمِ ٱلدِّينِ

Māliki Yawmi Ad-Dīni (4)

„Im vierten Vers lernen wir eine weitere Eigenschaft Allāhs kennen: Er ist der König und Richter am Tage des Jüngsten Gerichts. „“Māliki yaumi-d-dīn““ heißt wörtlich: „“dem Herrscher des Tages der Religion““; gemeint ist damit der Jüngste Tag; denn an ihm offenbart sich ein wesentliches Kriterium der islamischen Lehre, an das der Muslim glaubt: Am Jüngsten Tag wird klar, dass die Religion vor Allāh (t) Islam heißt; dann wird darüber gerichtet werden, was der Mensch für oder gegen die Religion Allāhs getan hat. An jenem Tag, dessen Datum nur Allāh (t) kennt, endet jede Macht des Menschen, die er auf Erden hatte, und an jenem Tag gilt nur das Wort Allāhs. In 82:19 heißt es hinsichtlich des Jüngsten Tages: An jenem Tag wird keine Seele etwas für eine andere Seele zu tun vermögen; und der Befehl an jenem Tage steht (einzig) Allāh zu.“ Obwohl wir bereits aus dem zweiten Vers der Al-Fātiḥa erfahren haben, dass Allāh (t) der Herr des Diesseits und des Jenseits und somit auch des Jüngsten Gerichts ist, wird in diesem Vers Seine Herrschaft am Tage des Jüngsten Gerichts noch einmal gesondert angesprochen, um die Menschen auf das unausweichliche Ereignis des Gerichts hinzuweisen und um ihnen zu vergegenwärtigen, dass es für all unsere Taten eine Vergeltung gibt und ein Urteil, gegen das wir keinerlei Einspruchsrecht haben.“

إِيَّاكَ نَعْبُدُ وَإِيَّاكَ نَسْتَعِينُ

‚Īyāka Na`budu Wa ‚Īyāka Nasta`īnu (5)

Im fünften Vers heißt es: ”Dir (allein) dienen wir, und Dich (allein) bitten wir um Hilfe.“ Für das Wort „‘Ibāda“ (Gehorsam), von dem die Form „na‘budu“ (wir dienen) abgeleitet ist, hat der Qur’ān-Kommentator Ibn Kaṯīr folgende zutreffende Definition gefunden: ”‘Ibāda ist alles das, was sich in vollständiger Liebe, Demut und Furcht vereint.“ ‘Ibāda beschränkt sich also nicht auf Gehorsam, Demut und Unterwerfung schlechthin – vielmehr umfasst sie auch Dank, uneingeschränktes Gottvertrauen und aufrichtige Ergebenheit; der Begriff beinhaltet darüber hinaus Gehorsam gegenüber Allāh (t) in allem, was Er uns vorgeschrieben hat, und zwar, wie sich aus dem bisher Gesagten bereits ergibt, Gehorsam, der in der Liebe zu Ihm begründet liegt. Der dieser Haltung entspringende Dienst für Allāh (t) geschieht durch Worte und Taten, die Ihm wohlgefällig sind. Und genau das ist ein wesentlicher Grundgedanke des Islam; denn Islam bedeutet nichts anderes als „Unterwerfung unter den Willen Allāhs und Hingabe an Ihn“. Dem entspricht, dass Allāh (t) in Sura 51:56 sagt: ”Und Ich habe die Ǧinn und die Menschen nur darum erschaffen, damit sie Mir dienen (sollen).“ Und in Sura 12:40 heißt es: ”Er (Allāh) hat geboten, Ihn allein zu verehren.“ In dieser Aussage liegt auch die Antwort auf die Frage nach dem Sinn des menschlichen Lebens, über die sich nicht-muslimische Philosophen jahrhundertelang vergeblich den Kopf zerbrochen haben. Kehren wir nun zum Aufbau der Sura zurück: Nachdem wir von Allāhs Allmacht und Allbarmherzigkeit und von dem auf uns alle zukommenden Gericht Allāhs gehört haben, ist es nur konsequent, dass wir uns nun in Liebe, Demut und Ehrfurcht vor Allāh (t) verneigen, Ihn anbeten und Seinen Gesetzen folgen. In diesem Sinne sind wir „Diener“ Allāhs. Seine Allmacht und Seine Barmherzigkeit, aber auch unsere Verehrung für Ihn ermutigen uns, Ihn um Seinen Beistand und Seine Hilfe zu bitten. Und weil erst aufrichtige Anbetung das Herz für gottergebenes Bitten öffnet, wird im fünften Vers der Gehorsam bzw. das ihm entsprechende Dienen vor dem Bitten um Hilfe genannt. Besondere Beachtung sollte in diesem Vers der Wortstellung geschenkt werden. Es heißt nicht: „Wir dienen Dir“, sondern das „Dir“ steht am Anfang des Satzes und wird dadurch besonders hervorgehoben; dadurch erhält dieser Vers die Bedeutung, dass wir Allāh (t) allein dienen und sonst niemandem, dass wir nur Allāh (t), jedoch keine andere Gottheit neben Ihm, um Hilfe bitten. Hier kommen also wieder die Einheit und Einzigkeit Allāhs und die Bedeutung von „lā ilāha illa-llāh“ zum Ausdruck. Weiterhin heißt es in diesem Vers „dienen wir“ und „bitten wir“. Die Mehrzahl des Personalpronomens weist auf die islamische Gemeinschaft hin und stärkt das Bewusstsein der islamischen Brüderlichkeit, zumal die Al-Fātiḥa ja Bestandteil des täglichen islamischen Gebets ist. Festigt das Gemeinschaftsgebet ohnehin schon das Gefühl der Brüderlichkeit, so lässt dieses „wir“ die Zusammengehörigkeit besonders deutlich werden, und es gibt dem, der als Einzelner für sich betet, das tröstliche Gefühl, dass er nicht allein, sondern Teil der islamischen Gemeinschaft ist. Mit dem fünften Vers beginnt von Struktur und inhaltlicher Aussage her der zweite Teil dieser Sura. Dazu sei zunächst auf eine sprachliche Auffälligkeit dieses Verses hingewiesen: Durch die Personalpronomina „Dir“, „Dich“ und später „Du“ wird Allāh (t) erstmals direkt persönlich angesprochen. Nachdem bislang von Allāh (t) nur in der dritten Person Singular die Rede war, wird ab Vers 5 ausschließlich die zweite Person Singular für Ihn gebraucht. Diese formale Veränderung unterstreicht die inhaltliche Wendung ausgehend vom Lobpreis Allāhs hin zur Bitte um Seine Hilfe. Zur Zeit des Propheten Muḥammad, Allāhs Segen und Friede auf ihm, hat dieses Stilmittel des Pronomenwechsels auf die Araber, die damals in ihrer Sprache sehr bewandert waren, seine Wirkung nicht verfehlt und vor allem die Aufmerksamkeit derer auf sich gezogen, die diese Sura zum ersten Male hörten.

ٱهْدِنَا ٱلصِّرَٰطَ ٱلْمُسْتَقِيمَ

Ihdinā Aş-Şirāţa Al-Mustaqīma (6)

Nachdem wir im vorhergehenden Vers allgemein um Hilfe gebeten haben, spezifizieren wir nun unseren Wunsch und bitten Allāh (t), uns den geraden, den rechten Weg zu zeigen und uns zum aufrichtigen Glauben zu führen, zur Standfestigkeit, zum vollkommenen Lebenswandel und damit zum verheißenen Paradies. „Führung“ in diesem Vers bedeutet also „Hinführen“ und „Bewahren vor dem Abweichen“. Der „gerade Weg“ ist nach allgemeiner Auffassung die Religion der Wahrheit, der Islam. Manche Kommentatoren sagen, mit dem „geraden Weg“ sei der Qur’ān bzw. der Prophet Muḥammad, Allāhs Segen und Friede auf ihm, gemeint. Auch diese Aussagen sind richtig; denn wer dem Qur’ān und dem Propheten Muḥammad, Allāhs Segen und Friede auf ihm, folgt, der praktiziert ja den Islam und befindet sich auf dem Weg der Wahrheit. Auch jemand, der sich bereits auf diesem Weg befindet, bittet Allāh (t) jeden Tag und in jedem Gebet aufs Neue um Seine Leitung, um stärkere Festigung seines Glaubens und um die Fähigkeit, den Glauben noch besser in sein Verhalten und Handeln umsetzen zu können. Mit dieser Bitte geht die Einsicht einher, dass der Mensch aus eigener Kraft und ohne die Hilfe Allāhs nicht auf dem rechten Weg zu bleiben vermag.

صِرَٰطَ ٱلَّذِينَ أَنْعَمْتَ عَلَيْهِمْ غَيْرِ ٱلْمَغْضُوبِ عَلَيْهِمْ وَلَا ٱلضَّآلِّين

Şirāţa Al-Ladhīna ‚An`amta `Alayhim Ghayri Al-Maghđūbi `Alayhim Wa Lā Ađ-Đāllīn (7)

Im siebten und letzten Vers der Al-Fātiḥa folgt eine Erläuterung, wie dieser gerade Weg aussieht und wer sich auf diesem Weg befindet. Unter dem „geraden Weg“, den wir von Allāh (t) erbitten, verstehen wir „den Weg derer, denen Du Gnade erwiesen hast, nicht (den Weg) derer, die (Deinen) Zorn erregt haben, und nicht (den Weg) der Irregehenden“. Diejenigen, denen Allāh (t) Gnade erwiesen hat, sind im Vers 69 der vierten Sura beschrieben: ”Und wer Allāh und dem Gesandten gehorcht, soll unter denen sein, denen Allāh Seine Huld gewährt, unter den Propheten, den Wahrhaftigen, den Zeugen und den Rechtschaffenen – welch gute Gefährten!“ Das arabische Wort „Ġaḍab“ (Zorn), mit dem das Partizip „Maġḍūbi“ (denen gezürnt wird), zusammenhängt, bedeutet hinsichtlich der Eigenschaften Allāhs „Wille zum Bestrafen“. D.h., wem Allāh (t) zürnt, dem wird Er eine Strafe auferlegen. Wie wichtig ist es also für jeden Muslim, Allāh (t) zu bitten, ihn vor dem Weg derer zu bewahren, denen Er zürnt! Als „Irregehen“ ist das Abweichen vom Weg der Wahrheit zu begreifen. Es gibt jedoch noch weitergehende Interpretationen: Einige Kommentatoren meinen, dass diejenigen, „die (Allāhs) Zorn erregt haben“, die Menschen sind, die Allāhs Gesetze absichtlich überschreiten, während die „Irregehenden“ jene Menschen sind, die aus Nachlässigkeit oder Unwissenheit gegen Allāhs Gesetze verstossen. Viele Ḥadīṯe weisen darauf hin, dass diejenigen, die den Zorn Allāhs auf sich ziehen, die Juden sind, und dass es sich bei denjenigen, die in die Irre gehen, um die Christen handelt. Ibn Kaṯīr gibt noch eine tiefer reichende Erklärung, indem er sagt, dass die Gläubigen das Wissen um die Wahrheit und das ihm adäquate Handeln in sich vereinen – das sind die Muslime, während die Juden das Handeln und die Christen das Wissen „verloren“ haben. Der Muslim strebt also danach, vor beiden möglichen Abweichungen geschützt zu sein; und bittet deshalb Allāh (t) um Seine Gnade und darum, ihn vor Seinem Zorn bzw. vor dem Abirren vom wahren Glauben zu bewahren. Gemäß der Überlieferung ist es wünschenswert, nach der Rezitation der Al-Fātiḥa „Āmīn“ (Amen) zu sagen. „Āmīn“ bedeutet so viel wie „O Allāh, erhöre!“.